Nach zwei vielbeachteten Lyriksammlungen stellt Oberlin mit diesem Gedichtzyklus sein drittes Buch vor, das von der Thematik her vielleicht sein einheitlichstes ist und die Bezeichnung Zyklus daher in besonderem Maße verdient. Will man bei Lyrik überhaupt von Thema sprechen, so ließe sich bei diesem Band wohl sagen, dass sein Gegenstand "Melancholie der Neuzeit" heißt. Zwei große kulturgeschichtliche Dokumente sind ihm dabei stets gegenwärtig: das Alte Testament der Bibel und Albrecht Dürers Kupferstich "Melencolia I". Oberlin sieht den zeitgenössischen Menschen in der Situation des Epochenübergangs, im Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur, zwischen conditio humana und dem Bewusstsein, das sich leicht in eine lebensfeindliche planerische Ferne verliert und das geboten Menschliche darüber negiert. Das Titelgedicht des Bandes wirft die Frage auf: »Wohin stürzte der gefallene Engel?«, und es endet mit den Versen:
»Endlich: überzählig sein zwischen den Meeren -
Wenn die Augen ausufern und verschwimmen
ist nur ein Augenblick Zeit
überzuwechseln in die Arche Zukunft.«
»In einem Moment der Erkenntnis will Oberlin den Fluss der Zeit anhalten, so wie er in vielen anderen Versen nicht nur die Grenzen der Poetik, sondern auch die des Seins durchdringen möchte. Ungewohnt und überraschend schön sind seine Zeilen...«
Stuttgarter Zeitung