Das Selbstporträt gehört zu den klassischen Motiven der Malerei, führt darüber hinaus aber auch zu der für die Moderne zentralen Frage nach den Wechselwirkungen zwischen Künstler*in und Werk. Es rückt den Produktionsprozess ebenso ins Zentrum wie den Menschen dahinter und erlaubt so neben der programmatischen Selbstverortung auch eine Diskussion über Art und Rolle künstlerischen Schaffens, die weit über die bildende Kunst hinausgeht.
Während die künstlerische Selbstinszenierung durch Spiegelung der eigenen Person im eigenen Werk in der Literatur weit verbreitet ist, werden deren mediale Möglichkeiten durch die Fotografie entscheidend erweitert. Und auch die Selbstdarstellung der kunstschaffenden Persönlichkeit verändert sich - man denke an die Akte von Egon Schiele, der sich oft selbst nackt und stilisiert malte und damit durchaus für Kontroversen sorgte. Diese neue Fokussierung auf das Selbst begründet sich nicht zuletzt im Aufkommen der Psychoanalyse und ihres Begriffs eines ,Ichs', das sich vor dem Hintergrund verdrängter Traumata und Sexualität gesellschaftlich konstituieren muss.
So nimmt der Druck zur Selbstinszenierung vor dem Hintergrund miteinander konkurrierender und oft kurzlebiger (avantgardistischer) Strömungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts deutlich zu, die nicht ohne Grund ihre Positionen durch so viele Manifeste begründen. Hinzu kommt, dass die Rolle von Künstler*innen zeitgenössisch stark über ihr Verhältnis zur Gesellschaft definiert wird. Künstlertum gilt es biografisch in Szene zu setzen und das Werk muss wiederum zu der Persona passen, der sich ihr*e Erschaffer*in verpflichtet fühlt. Es entwickelt sich ein komplexes Wechselspiel zwischen Original und Abbild, das die Grenzen zwischen beiden ebenso verwischt, wie es die Frage aufwirft, wo die Kunst endet und das Leben beginnt. Anhand zahlreicher Einzelbeispiele spürt der Band der Praxis der Selbstverortung und Selbstinszenierung im Expressionismus nach.