Thomas Manns Kampf um die Demokratie
Thomas Mann sitzt in seinem Arbeitszimmer, denkt und schreibt, bewusst und gewollt entfernt vom störenden Tagesgeschehen um ihn herum. So wird uns der große Autor in vielen Büchern gezeigt. Aber da fehlt eine wichtige Facette, sagt Kai Sina: Thomas Mann war auch ein politischer Aktivist, der mit Leidenschaft dafür eintrat, dass es in der Verantwortung eines jeden liegt, Politik nicht nur zu erleiden, sondern sie zur eigenen Sache zu machen. "In unsere Hände ist er gelegt," rief er 1922 den Gegnern des demokratischen Staates zu, "in die jedes Einzelnen".
Wie in einem Brennglas spiegelt sich Thomas Manns äußerst facettenreiches politisches Engagement in der Debatte um den Zionismus. Schon in den Zwanzigerjahren war er Mitglied in einem prozionistischen Unterstützerverein. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er sich mit Nachdruck für die Gründung eines jüdischen Staates ein, der den Überlebenden der Shoah - deren Schrecken und Ausmaß Thomas Mann als einer der ersten Intellektuellen vor aller Welt benannt hatte -, eine sichere Heimstätte bieten sollte. In Kai Sinas meisterhaft geschriebenem Porträt tritt uns dieser zu wenig bekannte Thomas Mann eindrücklich, lebhaft und in seiner ganzen Menschlichkeit vor Augen.
Der politische Thomas Mann wurde uns bislang vor allem am Schreibtisch gezeigt, als distanzierter Beobachter des Weltgeschehens. In diesem Bild aber fehlt ein wesentlicher Aspekt: der demokratische Aktivist.
Kai Sina beschreibt den Autor in seinem Handeln, in seinem Tun. Wir erleben einen Menschen, der sich für das moralisch Richtige einsetzt, der für seine Überzeugung streitet und dabei vor den Risiken der Fehlbarkeit nicht zurückschreckt. Sein Beispiel ermutigt, aus dem Zustand des bloßen Erleidens von Politik herauszutreten und sie - im Kleinen wie im Großen - selbst in die Hand zu nehmen.