Testbild, Twen und Nierentisch
Testbild, Twen und Nierentisch
Unser Lebensgefühl in den 50er Jahren
Herausgegeben von: Ernst Grissemann und Hans Veigl
2002, 176 S.
98 schw.-w. u. 16 S. farb. Abb.
24 x 17 cm
Geb.
Preis: ? 23.80 (Unverbindliche Preisempfehlung)
978-3-205-99382-7
Vergriffen
Titelinfo Autoreninfo
Eine "Neobackhendlzeit" nannte man das Jahrzehnt an dessen Ende nicht ganz zu Unrecht. Eine Zeit, in der stille Behaglichkeit und neue Innerlichkeit in Couchecken mit freischwingenden Stehlampen, Gummibäumen nebst Nierentischen, im Dampfkochtopf und Waschmaschine, Perlon und Petticoats, Nylonstrümpfen und Novopanplatten, Pitralon und Pez-Box, Cocktail- und Tanzstunde, Festwochen und Fernsehen, in stolz bilanzierten Wiederaufbauleistungen, im darauffolgenden Wirtschaftswunder und eben auch im "Wienerwald"-Backhendllokal ihren Niederschlag gefunden hatten. Gerührt mag man sich auf dieser empfindsamen Reise in die Vergangenheit etwa daran erinnern, dass damals die Politiker bei der Einweihung äußerst unscheinbarer Autobahnteilabschnitte stets in schwarzen Anzügen mit silberner Krawatte für die unübersehbare "Austria Wochenschau" gekleidet waren, dass Frauen zwecks Zusatzeinkommen in hohem Maße berufstätig wurden und Radion "wirklich weiß" wusch. Gedenken wird man auch eines Anderl Molterer, Toni Sailer oder einer Ingrid Wendl, die damals ihre ersten großen sportlichen Erfolge ohne nennenswerte finanzielle Siege feiern und den leistungsunwilligen Teenagern als pädagogisches Vorbild entgegengehalten werden konnten. Zurückblickend registriert man, dass neben Coca Cola auch Marken wie Chabesade, Taxi-Kola und Sinalco zur gehobenen Soft-Drink-Kultur zählten. Dass Peter Kraus- und Conny-Fans, die Leser von "Bravo", Elvis Presley- und Bill Haley-Hörer, die Benützer der Wurlitzer-Musikautomaten und der "Hornyphon"-Heimplattenspieler erstmals eine eigenständige soziale Jugendschicht zu bilden begannen, der freilich wieder viele ältere Mitbürger militant ablehnend gegenüberstanden. Dass sich das Kabarett der Jugendproblematik in Form des "G´schupften Ferdl" und des "Wilden auf seiner Maschin" widmete und dass neues Leben aus den Ruinen blühte, wenngleich avantgardistische, ans Ausland orientierte Kunst lange Jahre ein Kellerdasein fristen musste. Hinweisen könnte man darauf, dass damals eine nie zuvor gekannte Massenkonsumwelle anlief, Motorisierung und Mobilisierung ein bis dahin unbekanntes Ausmaß erreichten und Stadt und Land radikal zu verändern begannen. Und erinnern wird man sich möglicherweise auch daran, dass in dieser guten alten Zeit das kleine Glück im stillen Beharren häufig auch kulturelle Immobilität wie eine allesverschlingende, bleierne Friedhofsruhe miteinschloss.
Mit Textbeiträgen von:
Peter Alexander
Franz Antel
Ernst Fuchs